[Querfeldein Online] Brescia: Weltkulturerbe, schöne Seen – und guter Wein

Einst wurde die Mille Miglia hier gestartet. Heute punktet Brescia mit seinem UNESCO-Weltkulturerbe, der Nähe zum Iseo- und zum Gardasee und dem Prädikat „italienische Kulturhauptstadt 2023“.

STEFAN VEIGL

Brescia ist bekannt als Industriestadt zwischen Mailand und Verona - nicht zuletzt durch die Beretta-Waffenfabrik. Dass die 190.000-Einwohner-Stadt aber auch für Touristen einen Abstecher wert ist, glauben (noch) die wenigsten. Doch zum Ersten weist Brescia schon jetzt einen Teil einer UNESCO-Welterbestätte auf. Zum Zweiten ist die Stadt der ideale Ausgangspunkt, um – auch per Bahn - die Gegend rund um den Garda- und den Iseosee zu erkunden. Warum Brescia aber speziell heuer einen Besuch lohnt, ist die Ernennung zur „italienischen Kulturhauptstadt 2023", gemeinsam mit dem nur 70 Kilometer entfernten Bergamo.

Das Zentrum der von den Römern Brixia genannten Stadt wird von drei Plätzen geprägt. Wir beginnen unseren Rundgang auf der Piazza della Vittoria. Berühmt ist der 1932 vom Architekten Marcello Piacentini entworfene Platz weniger wegen seiner erkennbar faschistisch inspirierten Architektur – samt steinernem, drei Meter hohem Mussolini-Rednerpult, erzählt Stadtführerin Vanessa. „Über die Grenzen Italiens hinaus berühmt ist der Platz aber, weil hier immer die Mille Miglia gestartet wurde“, erzählt sie. Dieses legendäre Autorennen, das von 1927 bis 1957 jährlich auf öffentlichen Straßen stattfand und die rund 1000 Meilen von Brescia nach Rom und wieder zurück führte, ist ein Klassiker. Weiterer Blickfang am Siegesplatz ist zudem der Torrione, das mit seinen 60 Metern erste Hochhaus Italiens, das auch als erstes einen Lift enthielt.

Nur eine Straße samt Durchgang entfernt ist die Piazza della Loggia. „Er symbolisierte über lange Zeit die geballte weltliche Macht in Brescia, die von 1426 bis 1779 von der Republik Venedig ausgeübt wurde“, erläutert Vanessa. Die Expertin weist uns unter den Arkaden des ab 1484 erbauten Renaissance-Palasts am Platz, noch auf ein Detail hin: Hier steht die Statue der Lodoiga. Bei ihr konnten Bürger anonym auf kleinen Zetteln über Jahrhunderte hinweg ihre Beschwerden deponieren: „Das könnte man heute mit einem modernen elektronischen Whistleblower-System vergleichen“, sagt Vanessa lachend.

Weiteres Highlight des Loggia-Platzes ist die astronomische Uhr - die eindeutig jene auf dem Markusplatz in Venedig zum Vorbild hat. Weil es kurz vor 14.30 Uhr ist, bittet uns Vanessa kurz um Ruhe: „Jetzt werden gleich Toni und Batista ihre Arbeit tun.“ Tatsächlich schlagen die beiden Metallfiguren über den Uhr pünktlich um halb mit ihren schweren Hämmern auf die Glocke - wie schon seit Jahrhunderten. Auch der dritte Platz im Zentrum Brescias – die Piazza Paolo VI. – ist nur eine Straße entfernt und hat ihre Besonderheiten. Dort sind nämlich gleich zwei Dome zu bewundern: Der ältere ist rund und romanisch; der neue aus dem Spätbarock.

Besonders im Herbst locken aber auch rund um Brescia liegenden Weingüter, die für ihren Franciacorta – der italienische Schaumwein wird nach der Champagner-Methode erzeugt – weltbekannt sind. Dabei ist die gleichnamige Weinbauregion eigentlich sehr klein und umfasst nur rund 20 Gemeinden südlich des Iseosees, wie wir bei einer Führung durch das kleine, biozertifizierte Weingut Ronco Calino in Torbiato erfahren. Mitarbeiterin Serena Bonomi weiht uns dabei in die drei zentralen Geheimnisse der Franciacorta-Herstellung ein. Das erste sind die richtigen Trauben: „Zugelassen sind nur drei Rebsorten; nämlich Pinot Nero; Chardonnay und Pinot Bianco“, verrät sie. Die Lese beginnt bereits Mitte August und erfolgt ausschließlich von Hand, sagt sie, während wir durch den permanent auf 13 Grad gekühlten Keller gehen.

Das zweite Geheimnis der Franciacorta-Produktion? „Die Trauben werden nach der Lese, die nur vormittags erfolgt, für 18 bis 24 Stunden auf rund 10 Grad heruntergekühlt. So bleiben 80 Prozent der Aromen erhalten“, sagt Serena. Nach dem Pressvorgang wird der Wein dann – getrennt nach den jeweiligen Rieden - in den 30 Stahltanks des Winzerbetriebs gelagert – zunächst aber nur für sechs Monate. „Im März werden dann die Cuvees hergestellt“, erläutert Serena. Dabei werden die einzelnen Lagen bzw. Sorten gezielt zum gewünschten Endprodukt verschnitten – das dann bis Mitte Mai teils auch in Barrique-Fässern aus französischem Eichenholz gelagert wird. Mitte Mai werden dann die Cuvees in Flaschen abgefüllt: „Denn in den Flaschen, beginn die zweite Gärung.“

Der Weinbau in der Region rund um den Iseosee geht bis in die Römerzeit zurück. Die Römer waren es auch, die im baulichen Erbe von Brescia ihre Spuren hinterlassen haben: Dieses Erbe kann man am besten im archäologischen Park Brixia betrachten. Oberirdisch sind dort noch Ruinen sowie sechs Säulen eines Tempel-Vorbaus zu sehen. Das echte Highlight wartet aber im unterirdischen Museum, das uns Stadtführer Vanessa zeigt. Dort wird zunächst in Form einer Computeranimation erläutert, wie es passieren konnte, dass die römischen Reste aus der Gründerzeit der Stadt über die Jahrhunderte versinken konnten. Wie sich im Museum zeigt, haben Ausgrabungen etliche schöne Mosaike und Malereien zutage gefördert, die beweisen, wie bunt die römischen Tempelwände damals gestaltet waren. Vanessa: „Eine echte archäologische Sensation war aber, als 1826 die Figur eines weiblichen Siegerengels praktisch unversehrt ausgegraben werden konnte.“ Tatsächlich beeindruckt die rund drei Meter hohe hohle Figur aus Bronzeguss im letzten Raum auch unsere Besuchergruppe - und führt zu einem Fotomarathon.

Worauf in Brescia nicht nur Vanessa stolz ist, ist dass der Brixia-Park gemeinsam mit dem Klosterkomplex San Salvatore/Santa Giulia, der das Stadtmuseum beherbergt, seit 2011 unter dem Titel „Die Langobarden in Italien“ Teil des UNESCO-Welterbes ist. Speziell ein Besuch im ehemaligen Kloster St. Giulia ist nicht nur für Kunstinteressierte lohnenswert: Es gibt herrliche Fresken zu bewundern. Was man sich in Brescia ebenfalls nicht entgehen lassen sollte, ist ein Spaziergang hinauf zur Festung der Stadt, die auf dem Cidaneohügel gibt. Blickfang ist der runde Mirabellaturm, der von den Mailänder Visconti-Herzögen erbaut wurde.

Nach so viel Geschichte brauchen wir eine Pause – und kehren unweit des Archäologieparks in die Trattoria al Fontanone ein – wo es zum Aperitivo, erraten, einen Franciacorta gibt. Wie dieser nun tatsächlich zu seinem unvergleichlichen, moussierenden Geschmack kommt, erfahren wir am Abend von Serena in der Kellerei. Denn das dritte Geheimnis der Schaumweinspezialität ist die richtige Gärung in der Flasche: „Dabei werden dem Wein Hefe und Zucker beigemengt“, erläutert die Expertin. Dann werden die Flaschen verschlossen und auf Holzregalen gelagert und in bestimmten Abständen, wie von der Champagner-Methode bekannt, gedreht. Serena: „Die zweite Gärung endet nach sechs Wochen, Ende Juni, weil die Hefebakterien keinen Zucker mehr haben, den sie fressen können.“ Der Clou ist aber, wie die Hefebakterien aus der Flasche entfernt werden: Dazu werden die Flaschen kopfüber gelagert – und ihr Hals maschinell eingefroren: „Dann wird der metallene Kronenkorken geöffnet und der Eispfropfen mit den abgestorbenen Bakterien rutscht raus“, beschreibt die Sommeliere. Und dass das Endergebnis hält, was sie verspricht, bestätigt die abschließende Verkostung.

Von Torbione aus machen wir uns am nächsten Tag auf zum Iseosee: Dieser wurde im Juli 2016 durch die Aktion „The Floating Piers“ von Christo schlagartig weltberühmt: Der inzwischen verstorbene Verpackungskünstler hat dabei den See mittels luftgefüllter Plastiktanks, die mit gelbem Stoff belegt waren, für 16 Tage begehbar gemacht. Wir machen heute eine Schiffsrundfahrt, die ein echtes Erlebnis ist: Ein Stopp führt uns dabei auf die große, bewohnte Insel Monte Isola, die nahezu autofrei ist. Bei der Rundfahrt erfahren wir von unserer Reiseführerin Vanessa zudem noch zwei spannende Details. Mit Blick auf das Adamello-Gebirge meint sie: „Etliche Kunsthistoriker gehen davon aus, dass die Berge im Hintergrund der Mona Lisa jene sind, die man vom Iseosee beim Blick nach Norden sieht.“ Zu dem kommen wir neben der kleinen Isola di San Paolo auch bei der ebenfalls sehr kleinen Isola di Loreto vorbei. Diese wollte, wie Vanessa weiß, Hollywood-Star George Clooney vor einigen Jahren kaufen: „Es wurde ihm aber zwei Mal verweigert und er musste unverrichteter Dinge in sein Domizil am Comer See zurückkehren“, erzählt Touristenführerin nicht ohne ein bisschen Häme.

Übernachtungstipp:

Ostello Luogo Comune
Rua Confettora, 8
25123 Brescia
Web: www.luogocomuneostello.it/en
E-Mail: info@luogocomuneostello.it
Tel: +3478926392

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